Donnerstag, 6. Dezember 2007

Die Mär vom Mantra: "Obersatz, Definition, Subsumtion, Ergebnis"

Über meine Examensklausurblätter habe ich noch stets das o.g. Mantra geschrieben. Dazu den Satz: "Ich bin eine Subsumtionsmaschine." Dennoch beschreiben diese vier Begriffe nur allzu ungenau den Gedankengang des Gutachtens. Denn:

1. Wer Obersatz sagt, muss auch Untersatz sagen (es sind Begriffe aus der Logik).

2. Vor der Subsumtion muss nicht unbedingt eine “Definition” stehen: Im Zivilrecht und Staatsrecht lässt sich die Lösung häufig nur durch eine Untersuchung der Interessenlage erarbeiten. Die Berücksichtigung der unterschiedlichen Interessen schafft die Vorgabe (“Obersatz” im technischen Sinne der Logik), anhand welcher der Sachverhalt (“Untersatz”) geprüft wird. Dies kann auch einen Streitentscheid erfordern - ist die Streitdarstellung etwa Teil der Definition?

3. Bevor die Prüfvorgabe in Form des Obersatzes entfaltet wird, muss dem Leser das Prüfmerkmal genannt werden. Dies kann man "Einstieg", "These", "Theorie" oder "mögliches Ergebnis" nennen - aber eben nicht "Obersatz".

4. Der Gesamtvorgang ist die methodische Unterordnung, also die Subsumtion.

Mein Vorschlag für ein besseres Mantra lautet daher: “Einstieg, Obersatz, Untersatz, Ergebnis”.

Siehe ähnlich u.a.:

  • Schmalz, Methodik, Rn. 494
  • Steinberger, Methodenlehre, Rn. 12
Ungenau (bzw. falsch) ist daher auch dieser Eintrag der Wikipedia (hier noch einmal zitiert, falls jemand den Eintrag korrigiert):

Die Subsumtion läuft in vier – oft nur gedanklich vollzogenen – Schritten ab:

Subsumtionsfrage: Kann V gemäß § 433 Abs. 2 BGB von K Zahlung des Kaufpreises verlangen?


1. Schritt (Obersatz): Das setzt voraus, dass V und K einen Kaufvertrag über das Auto abgeschlossen haben.
2. Schritt (Definition): Ein Vertrag ist eine Willenseinigung, genauer die inhaltlich übereinstimmenden und in Bezug aufeinander abgegebenen Willenserklärungen von zwei oder mehr Personen.
3. Schritt (Subsumtion): V und K haben sich darüber geeinigt, dass V dem K das Auto gegen Zahlung von Geld übereignen sollte.
4. Schritt (Conclusio): Also haben V und K einen Kaufvertrag geschlossen.

Zitatende, Farbgebung von mir. Schön zeigt sich, wohin unpräziser Sprachgebrauch führt:

1. Falsche Definition: Weil der Verfasser sein Kaufpreis-Beispiel in das falsche Schema zwängen wollte, brauchte er unbedingt eine "Definition". Er definiert aber nicht Kaufvertrag (wie angekündigt - dann müsste er die Norm abschreiben), sondern "Einigung".

2. Keine Subsumtion: Subsumiert wurde in diesem Beispiel überhaupt nicht, jedenfalls nicht unter die "Definition". Die angebliche "Subsumtion" ist lediglich eine Feststellung, dass V und K sich geeignigt haben. Auf die Bestandteile der "Definition" "Willenserklärung" und "Bezug aufeinander" wird überhaupt nicht eingegangen - warum sie dann in der "Definition" genannt werden, bleibt Wikipedia's Geheimnis. Offenbar war der Fall nicht problematisch. Die Definition ist damit sogar doppelt fehl am Platze. Wichtig war hier nur der Inhalt der Einigung.

3. Falsches Ergebnis: Beantwortet ("Conclusio") wird schließlich nicht die "Subsumtionsfrage", ob der Kaufpreis verlangt werden kann, sondern ob ein Kaufvertrag geschlossen wurde. Das Ergebnis bleibt damit zumindest ungenannt - abgesehen davon, dass noch andere Prüfpunkte denkbar wären (Wirksamkeit des Vertrages, Durchsetzbarkeit etc.).

Warum die Verwendung der Wikipedia dennoch kein Grundübel sein muss, lest bitte hier.

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