Montag, 30. Juni 2008

Lesen:

Jahn, Joachim: Klares Deutsch, JuS Magazin 2008, 6-10:

"'Der Kaiser ist nackt' lautet mitunter die ernüchternde Erkenntnis, wenn man die Konstuktion unnötig gewundener Satzgirlanden durchschaut hat und somit der Blick auf deren womöglich profanen Inhalt frei wird. Umgekehrt freut es Prüfer außerordentlich, wenn Kandidaten sie nicht in Klausuren und Gesprächen mit verschnörkeltem Sprachschwulst plagen." (a.a.O., 6)

Der Beitrag zeigt anhand kleiner Übungen, wie man "Bürokratendeutsch" in klare und verständliche Formulierungen übersetzen kann. Jahn ist bei der FAZ verantwortlich für den Bereich Recht & Steuern und arbeitet als Dozent an der Uni Mannheim (Deutsch für Juristen - Schlüsselqualifikation).

Freitag, 27. Juni 2008

Endlich: Das große "ß"

SPAßSSGESELLSCHAFT - solche Worte in Großbuchstaben mussten bislang inkonsequent falsch geschrieben werden, nämlich mit einem kleinen "ß" "SS". Damit ist nun Schluss, berichtet die Welt. Denn DIN und ISO haben sich geeinigt: Bald gibt es das große "ß".
Ich komme allerdings nicht über das dpa-Foto hinweg, mit dem die um korrekte Sprache bemühte Welt ihren Beitrag schmückt. Dort steht das Wort "BAßSAITE" - das schreibt sich aber mit drei "S".

Donnerstag, 19. Juni 2008

Der bestückte Schiedsrichter

Die UEFA deutscht. Nun ist es nicht fair, sich über sprachliche Schnitzer von Ausländern lustig zu machen. In diesem Fall war jedoch vermutlich nicht mangelnde Deutschkenntnis bei der UEFA, sondern erneut der Drang zum bürokratischen Schwulst Ursprung des Übels.
Der Anlass: Löw muss draußen bleiben, auch im Viertelfinale. Der DFB hat eine Begründung der UEFA erhalten und auszugsweise auf seiner Website veröffentlicht. Dort heißt es zu Löws schlechtem Benehmen beim Spiel Deutschland gegen Österreich:

"Dieses bestand darin, dass der fehlbare Trainer in Richtung seines österreichischen Kollegen beziehungsweise des Vierten Offiziellen schrie. Die Intensität dieses Verhaltens war offensichtlich derart, dass der mit der Erfahrung aus zahlreichen Spielen einer europäischen Profiliga bestückte Schiedsrichter keinen Augenblick zögerte, Joachim Löw aus der technischen Zone zu verweisen."


Spiegelonline zitiert nun seinerseits dieses Zitat unter Berufung auf den DFB. Der mit Erfahrung "bestückte Schiedsrichter" ist nun (18.6., 23:16) allerdings der mit Erfahrung "verstückte Schiedsrichter". Dieses Versatzstück lässt ein Stück weit stocken - geht aber wohl nur auf einen Abtippfehler zurück. Vielleicht ein freudsches "verrückt", nur halb unterdrückt.
Bei der FAZ unterschlägt man derlei Blüten gnädig: Dort ist der Schiedsrichter schlicht der "ausgestattete Schiedsrichter".

Zurück zum Original: Mit Erfahrung bestückt? Flugzeuge bestückt man mit Waffen. Zigarettenautomaten mit, nun, Lungentorpedos. "Stück" hieß ja im 16.-18. Jahrundert mal "Kanone", weiß der etymologische Duden. Die Erfahrung als Waffe?
Dass Löw ein "fehlbarer Trainer" ist, unterscheidet ihn hierzulande nur vom Unfehlbaren - in der Schweiz ist mit dem Wort aber auch "schuldig" gemeint. Geschenkt!
Fraglich bleibt jedoch, wann die "Intensität" eines Verhaltens "derart" ist. Also wie man sich besonders intensiv verhält. Diese Formulierung hat wohl allenfalls Potenzial für Elternabende ("Nein, ihr Kind ist nicht verhaltensauffällig, es ist nur verhaltensintensiv.").

Was spricht dagegen, deutlich zu schreiben? Beispielsweise so:

"Löw schrie in Richtung des anderen Trainers beziehungsweise des Schiedsrichters. Der Schiedsrichter hat in zahlreichen Spielen einer europäischen Profiliga Erfahrung gesammelt und zögerte nicht, Löw aus der technischen Zone zu verweisen."


Klingt blöd? Weil es blöd ist, vorher konnte man es bloß nicht erkennen. Welche Rolle die Erfahrung des Schiedsrichters hier spielt, weiß kein Mensch. Erfahren oder nicht, der Offizielle hat Löw rausgeworfen, das ist bekannt. Gemeint war sicher, dass der Schiedsrichter Löw aus der technischen Zone (aus Sicht der UEFA) verweisen durfte, weil er so erfahren ist. Dass dies zu Recht geschah. Konsequenz der Erfahrung ist also nicht, dass Löw verwiesen wurde, sondern ein Werturteil der UEFA. So deutlich möchte sie das wohl nicht sagen.
Das unschöne "beziehungsweise" kann übrigens "und" oder "oder" heißen - das ist ungenau, aber liegt damit auf der Linie des gesamten Textes. Denn das "und" lässt sich kaum nachweisen - hat Löw denn auch den Schiedsrichter angeschrien? Mit einem "oder" würde die Argumentation der UEFA ziemlich wackelig aussehen.

Wo der Schwulst herkommt

Der Grund für diesen Schwulst könnte Eile gewesen sein. Ich vermute dahinter jedoch erneut dasselbe Gehabe, mit dem auch Behörden ihren Worten gern den Klang des Unnah- und daher Unfehlbaren verleihen. Ähnlich klingen interessanterweise Briefe an Behörden, wenn sie von Querulanten verfasst werden.
Der Effekt tritt in Argumentationen aller Art immer dann auf, wenn sie auf tönernen Füßen steht. Das gilt auch für Klausuren und Hausarbeiten, Kommentare und Gerichtsurteile. Man möchte sich auf die eigene Funktion reduzieren, um Verantwortung zu vermeiden. Nicht der Mensch schreibt hier, sondern nur das Organ.

A
ber dann klingt es eben auch wie ausgeschieden.

Montag, 16. Juni 2008

Zum Zitieren

Wer in Haus- und Schwerpunktarbeit richtig zitieren will, stößt in der Regel schnell auf Fragen, die nicht in Vorlesungen und Arbeitsgemeinschaften besprochen wurden. Die folgenden Texte zweier Autoren aus Hamburg beantworten die meisten:

  • Stüber, Stephan: Zitieren in juristischen Arbeiten, 2006 (34 S., PDF)
  • Mankowski, Peter: Zitier- und Gliederungsempfehlungen, Stand: 2008 (13 S., Word-Doc)

Dienstag, 10. Juni 2008

Bürokratische Blähungen (welt.de)

Wie gerufen: Sönke Krüger schreibt auf Welt.de über bürokratische Blähungen - nichts Neues, aber man kann es ja nicht oft genug betonen.

(via)

Unerwähnt bleibt leider der preisgekrönte Versuch, die Behördensprache zu entschlacken.

Montag, 9. Juni 2008

Sicksche Lehren

Ungern möchte ich an dieser Stelle wiederkäuen, was Bastian Sick und andere an Grammatik-Wissen unters Volk gepeitscht haben. Dennoch wurde ich kürzlich gefragt, ob ich nochmal erklären könnte, wo der Unterschied zwischen "dasselbe" und "das Gleiche" läge.
Dazu weise ich auf meinen früh genannten Tipp hin: Neugierig werden und nachschlagen! Quellen habe ich schon einige genannt (siehe Kategorie "Hilfsmittel"), über Google lässt sich auch so manches finden. Wo ein Wille, usw...
Wer auf Sicksches Material erpicht ist, der wird hier geholfen - auch im Hinblick auf dasselbe und dergleichen.

Mittwoch, 4. Juni 2008

Schizophrenie bei Relativsätzen

"Störer ist offenbar einfach derjenige, der das Eigentum beeinträchtigt, oder genauer: Derjenige, der für diese Beeinträchtigung verantwortlich ist, dem sie zugerechnet wird."

(aus - erneut - einem großen und etablierten BGB-Kommentar)


Zögern ist hier angebracht. Der letzte Satz ist nicht vollständig und nur mühsam zu lesen. Gemeint ist:

"Störer ist..., genauer: Störer ist derjenige, der (...) verantwortlich ist, dem die Beeinträchtigung zugerechnet wird."

Wären Relativsätze Menschen, so wäre der letzte - "dem sie zugerechnet wird" - schizophren. Während "dem" sich auf den Hauptsatz bezieht ("Derjenige,"), wird mit "sie" auf "diese Beeinträchtigung" und damit auf den ersten Nebensatz verwiesen.
Da muss man ja durchdrehen.

Definitorischer Schwulst:

"Anspruchsgegner bei § 1004 ist der “Störer“. Das Gesetz verzichtet auf jede definitorische Konkretisierung dieses Begriffs."

(gefunden in einem großen etablierten Zivilrechtskommentar)


"Definition" wäre ja auch langweilig gewesen.