Sonntag, 20. Januar 2008

"Rechtswidrigkeit und Schuld sind gegeben"

Das nervt natürlich: Vier Klausurseiten über den subjektiven und objektiven Tatbestand und kein einziges Problem auf der Ebene von Rechtswidrigkeit und Schuld. Wie fasst man sich da kurz?

Zunächst kann eine gemeinsame Überschrift helfen:

"2. Rechtswidrigkeit und Schuld"

Der dreigliedrige Deliktsaufbau ist eine Selbstverständlichkeit und muss sich nicht in der Gliederung niederschlagen. Dann genügt schon dieser kleine Satz:
"X handelte rechtswidrig und schuldhaft."

Das ist kurz und präzise. Auf keinen Fall dürfen Kraftausdrücke wie "unproblematisch", "unzweifelhaft", "offensichtlich" usw. ergänzt werden.

Auch von folgenden Formulierungen rate ich ab:

1. "Rechtswidrigkeit und Schuld sind gegeben."

Nominationsstil (Nomen statt Adjektive) klingt hölzern. Zudem braucht man zusätzlich ein farbloses Verb ("gegeben sein"). Was kann nicht alles "gegeben sein"? Wirbelstürme, Farben, Tumore, Langeweile, schlechte und gute Noten, versalzene Suppe... Ein Verb sollte mit dem Bezugswort möglichst genau korrespondieren. Das Wort "handelte" in meinem Vorschlag stellt den Bezug zwischen der ersten Ebene und den übrigen zwei her. Man kann zwar auch dumm, intelligent, schadhaft oder rücksichtslos "handeln", aber eine Eingrenzung auf Wertungen ist dennoch gegeben. Daher klingt die Formulierung präziser.

Diese Ausführungen gelten auch für "...liegen vor".

2. "...sind zu unterstellen."

Das ist falsch - denn im Strafrecht gilt für tatsächliche Fragen der Zweifelssatz (in dubio pro reo). Man unterstellt also gerade nicht Rechtswidrigkeit und Schuld.
Die Formulierung "...die Rechtswidrigkeit wird indiziert" meint dagegen etwas ganz anderes: Die Erfüllung eines Straftatbestandes stellt in der Regel Unrecht dar. Lediglich Rechtfertigungsgründe können daran etwas ändern. Übrigens: Auch diese Formulierung ist abgedroschen und wird häufig kritisiert. Zudem kann sie nicht angewendet werden, wenn die Rechtswidrigkeit gesondert festgestellt werden muss (§ 240 StGB).

3. "...begegnen keinen Bedenken"

Als Deliktsebenen begegnen Rechtswidrigkeit und Schuld überhaupt keinen Bedenken, sondern sind nützliche Instrumente beim Lösen von Fällen - im Ernst: Diese Formulierung entstammt künstlich aufgeblähtem Kanzleistil. Sie kennzeichnet den - gut gemeinten - Versuch, etwas mehr "Pepp" in eine langweilige Passage zu bringen. Zwecklos: Macht es lieber kurz und schmerzlos.

Ist das nicht langweilig?

Die vorgeschlagene Formulierung ist, man glaubt es kaum, ein Vorschlag. Man kann natürlich versuchen, Variationen für jeden Tatbestand zu verwenden. Das ist jedoch zugegebenermaßen schwierig: "X war nicht gerechtfertigt oder entschuldigt" ist weniger präzise, denn nicht immer genügt diese Feststellung (s.o.). Das trifft auch hier zu: "Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe sind nicht ersichtlich."
Dennoch sind diese Formulierungen weit verbreitet und werden daher vom Korrektor normalerweise akzeptiert.

Variation ist im Übrigen nicht so wichtig. Der Korrektor überfliegt nur mit halbem Auge eure kurzen Feststellungen in unproblematischen Bereichen. Denn dann hat er mehr Zeit für die Passagen, in denen ihr euch wirklich Mühe geben müsst. Eure Aufgabe, die "Schwerpunktsetzung", ist also auch im sprachlichen Bereich sehr wichtig (siehe dazu: "Was heißt Schwerpunktsetzung?").

Dieser Text ist die Antwort auf einen Kommentar im Bereich Fragen und Anregungen.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Das ging ja fix :))
Super, vielen Dank!
PS: Im Kleingedruckten ist das Ende falsch verlinkt.

Hendrik Wieduwilt hat gesagt…

Stimmt, danke für den Hinweis.