Donnerstag, 13. März 2008

Wieviele Wörter passen zwischen ein Verb?

Das BVerfG als Deutschlands beliebtestes Gericht veröffentlicht seine Entscheidungen über einen äußerst nützlichen Pressedienst. Für Studenten sehr empfehlenswert!

In der heutigen Mitteilung über das Inzest-Urteil stehen allerdings Sätze, mit denen wohl nicht nur Regionalzeitungsredakteure sondern auch Juristen überfordert sein dürften:

Der Einwand, die Strafnorm des § 173 Abs. 2 Satz 2 StGB verfehle aufgrund ihrer lückenhaften Ausgestaltung und wegen des Strafausschließungsgrunds des § 173 Abs. 3 StGB die ihr zugedachten Zwecke, verkennt, dass mit dem Verbot von Beischlafshandlungen ein zentraler Aspekt sexueller Verbindung zwischen Geschwistern unter Strafe gestellt wird, dem für die Unvereinbarkeit des Geschwisterinzests mit dem traditionellen Bild der Familie eine große Aussagekraft zukommt und der eine weitere sachliche Rechtfertigung in der grundsätzlichen Eignung dieser Handlung findet, über das Zeugen von Nachkommen weitere schädliche Folgen hervorzurufen.

Es geht auch noch eine Spur anspruchsvoller. Die Presseabteilung setzte hinter diesen beeindruckenden Satz den sogleich folgenden - und beantwortet damit zugleich eine typische Guinness-Frage: Wieviele Wörter passen zwischen ein Verb?

Daher stellt der Umstand, dass beischlafähnliche Handlungen und sexueller Verkehr zwischen gleichgeschlechtlichen Geschwistern nicht mit Strafe bedroht sind, andererseits der Beischlaf zwischen leiblichen Geschwistern auch in den Fällen, in denen eine Empfängnis ausgeschlossen ist, den Straftatbestand erfüllt, die grundsätzliche Erreichbarkeit der Ziele des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung und der Vorsorge vor genetisch bedingten Krankheiten nicht in Frage.

Antwort: Dreiundfünfzig!

Klausurhinweis: Gebt euch keinen Illusionen hin: So etwas liest der Korrektor sich allenfalls zweimal durch - wenn er zuviel Zeit und gute Laune hat. Es gilt die Regel:
"Ein Satz, ein Gedanke!"

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Nun ist es aber so, dass man mit Schachtelsätzen oftmals viel besser arbeiten kann, da sich Gedanken viel sinnvoller und dergestalt besser miteinander verzahnen lassen. Sicherlich sollte dabei die klare Linie der Argumentation nicht verloren gehen, doch gerade wissenschaftliches Arbeiten ist nicht immer so zu betreiben, wie Sie es hier vorschlagen! Dass dieses Problem systemimmanent ist, die Korrekturassistenten unterbezahlt und bisweilen auch im übrigen manchmal überfordert sind, ist gerade deshalb schade, weil jemandem, dem die Fähigkeit konnexen Formulierens gegeben ist, diese aufzugeben Nahe gelegt wird, will er gut benotete Arbeiten abliefern.

Hendrik Wieduwilt hat gesagt…

Es freut mich zunächst sehr, dass sich Widerspruch regt!

Zu Ihrem Einwand: Ich möchte Schachtelsätzen nicht ihre Existenzberechtigung absprechen. Sie sind sogar sehr unterhaltsam, etwa in der Satire.

Dass sich damit allerdings ausgerechnet klarer formulieren lässt, möchte ich bestreiten. Die hier dargestellten Sätze sind mit Sicherheit verständlicher, wenn sie in mindestens zwei oder drei einzelne aufgeteilt werden.

Das von Ihnen angesprochene systemimmanente Problem sollte deshalb niemanden frustrieren - die Klausur ist nur schlicht der falsche Ort für Schnörkel. Das liegt nicht einmal nur am Korrektursystem sondern auch der Textsorte: Die Sachorientiertheit des Gutachtens verbietet es, die eigene Formulierungskunst durch aufwendige Satzgebäude in den Vordergrund zu stellen.

Wer ernsthaften Schreibdrang verspürt, sollte sich ein Ventil suchen. Ich finde Bloggen sehr hilfreich.

Anonym hat gesagt…

Schön, dass Sie so prompt antworteten.

Dass sich durch Schachtelsätze klarer formulieren lässt, war nicht meine Aussage. Vielmehr wollte ich darauf hinweisen, dass es durchaus möglich ist, durch sie eine bessere Verzahnung von gedanklichen Strukturen zu erreichen. Gleichwohl möchte ich einräumen, dass auch viele prägnant-kurze Sätze dieses keinesfalls ausschließen.

Wie Sie treffend konstatierten, ist das juristische Gutachten jedoch durch seine systemmatische Struktur nicht prädestiniert für komplexe Satzstrukturen. Nichtsdestoweniger darf man solchen Sätzen, wenn es einem denn trotz allem im Gutachten geboten erscheint, nicht deshalb ängstlich gegenüber stehen, weil man befürchten muss, dass der Korrektor die Ausführungen nicht verstehen kann.

Sicherlich bedeutet auch prägnantes Formulieren einen enormen Trainingseffekt, wenn man ansonsten gerade andere Formulierungen bevorzugt. Beides zur rechten Zeit zu verwenden, ist vielleicht dann gerade die Kunst, die es zu optmieren gilt.

Hinsichtlich Ihrer weiteren Ausführungen kann ich nur deutlich mit dem Kopf nicken. Es scheint mir beinahe so, als fände ich gerade ebenfalls ein weiteres Ventil.